Fronleichnam und "Das große Welttheater"

Am 11. Juni feiert die Kirche das Hochfest des Leibes und Blutes Jesu, das uns allen bekannte Fronleichnamsfest. Viele von uns denken hier an die farbenfrohe Prozession durch unsere Stadt mit Blumenteppich, geschmückten Altären und Fahnen. Mittelpunkt allen Feierns ist die Verehrung Jesu. Dies wird deutlich durch das Tragen unserer kostbaren Monstranz. Mit diesem Ritus zeigen wir Christen, wem wir uns durch unseren Glauben verpflichtet fühlen: Jesus Christus, der uns durch sein Leib und sein Blut sein kostbares Vermächtnis seiner Liebe hinterlassen hat. In diesem Jahr ist durch den Corona-Virus alles anders! Auch an Fronleichnam. Es findet keine Prozession statt und auf viele Ausschmückungen muss verzichtet werden. Das heißt aber nicht, dass wir Jesus Christus an diesem Tag verehren und feiern werden. Wir laden ein zu zwei Festgottesdiensten um jeweils 10 Uhr in der Stadtpfarrkirche St. Martin und in der Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit auf dem Mittelberg.

Immer wieder fragen Menschen, worauf dieses Fronleichnamsfest – eigentlich von der theologischen Bedeutung her, der 2. Gründonnerstag – zurückgeht.

Dieses katholische Hochfest geht auf die mittelalterliche Frömmigkeit um die Verehrung der Eucharistie zurück. 1264 wurde es von Papst Urban IV. als eigenes Fest für die ganze abendländische Kirche eingeführt.

Vor allem im Spätmittelalter und der Barockzeit wurde dieses Fronleichnamsfest liturgisch und brauchtumsmäßig immer reicher und glanzvoller ausgestaltet. Oft trat an diesem Tag zum „liturgischen Spiel“ der Prozession das dramatische Spiel des Theaters.

In dieser Zeit schrieb auch der Spanier Pedro Calderón de la Barca sein Fronleichnamsspiel mit dem Titel „Das große Welttheater“. Auf den Stufen der Kathedrale von Sevilla wurde es am Fronleichnamstag 1675 zum ersten Mal aufgeführt. In diesem Spiel betritt Gott die Weltbühne, ruft die einzelnen Spieler auf und teilt einem jeden seine Rolle zu: dem einen die Rolle des Königs, dem anderen die Rolle des Bauern. Dem einen Menschen wird die Rolle „Schönheit“, dem anderen die Rolle „Weisheit“ zugewiesen; dem einen die Rolle „Reicher“, dem anderen die Rolle „Bettler“. Wie die einzelnen Spieler ihre Rolle ausfüllen, das überlässt ihnen Gott ganz allein. Er gibt nur einem jeden Menschen den Rat mit auf den Weg: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst und tue Recht, denn Gott bleibt Gott!“

Und jeder beginnt, seine Rolle zu spielen: Die Welt als Bühne, das Leben als Spiel. Am Ende ihres Lebens erscheinen dann die einzelnen Personen wieder vor Gott: König, Bauer, Schönheit, Weisheit, Reicher und Bettler. Einem jeden geht nun vor dem Angesicht Gottes auf, wie gut oder wie schlecht er seine Lebensrolle gespielt hat. An dieser Stelle ertönt aus dem Dom die Melodie des „Tantum ergo“.

Liebe Leserinnen und Leser,
so sind Sie eingeladen, Ihrer Rolle einmal nachzugehen und zu schauen, wo im „Welttheater“ Ihr Platz ist. In einem dürfen wir gewiss sein: Bei Gott hat jede und jeder seinen berechtigten Platz, mehr noch, bei ihm werden wir durch die eucharistischen Gaben für unseren Weg durch die Zeit gestärkt.
In diesem Glauben wollen wir an diesem Tag aus großer Überzeugung und Dankbarkeit einstimmen in das „Tantum ergo“. Möge es unser Welttheater erfüllen.

Einen frohen Festtag und eine gute Woche wünscht Ihnen

Pfarrer Stefan Ruf